Alternative zu bekannten organischen Lösungsmitteln – (nicht nur) für Anwendungen in der Biokatalyse
Mit einem ganzheitlichen Ansatz – ausgehend von molekularen Wechselwirkungen bis hin zu Prozessparametern – forschen sieben Universitäten unter der Koordination der Leibniz Universität Hannover: Die Forschungsgruppe 5730 DESMOL2PRO, „Maßgeschneiderte Deep Eutectic Solvents für die Biokatalyse“, startet 2025 und kann auf eine vierjährige Laufzeit bauen.
Sprecherin Prof. Dr. Selin Kara vom Institut für Technische Chemie der Leibniz Universität Hannover freut sich, dass „dieses interdisziplinäre und internationale Konsortialprojekt zusammenarbeitet, um Wissen zu generieren und eine nachhaltige Technologie für Lösungsmittel in der chemischen Industrie sucht“.
Nachhaltigkeit und Effizienz enzymatischer Prozesse
Die chemische Industrie steht derzeit vor der Herausforderung des Übergangs von der klassischen Herstellung erdölbasierter Chemikalien zur nachhaltigen Synthese biobasierter Produkte im Sinne einer zirkulären Bioökonomie. Aufgrund ihrer herausragenden Effizienz, Selektivität und sehr milden Reaktionsbedingungen spielen Enzyme eine immer wichtigere Rolle in der Industrie. Mit diesen Stärken hat die Biokatalyse ihren Platz unter den komplementären katalytischen Methoden der heutigen grünen Chemie gefunden.
Im Rahmen der DFG-Forschungsgruppe 5730 haben sich acht Arbeitsgruppen aus Deutschland, Österreich und Kroatien zusammengeschlossen, um den Einsatz anwendungsspezifisch angepasster Lösungsmittel zur Steigerung der Nachhaltigkeit und Effizienz enzymatischer Prozesse zu untersuchen.
Stark eutektische Lösungsmittel, Deep Eutectic Solvents (DES), sind eine sehr potente Klasse von Lösungsmittelsystemen, die aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften eine Reihe von Vorteilen bei (bio)chemischen Umwandlungen bieten. DES setzen sich aus Gemischen einzelner Substanzen zusammen: Werden diese kombiniert, ergibt sich eine erhebliche Absenkung des Schmelzpunkts, sodass sich die resultierende flüssige Form strukturell von klassischen molekularen Systemen unterscheidet. Diese Unterschiede im Lösungsmittelverhalten sind besonders in der Biokatalyse von Vorteil, da sie u. a. höhere Enzymstabilitäten und -aktivitäten ermöglichen können. Die Entwicklung anwendungsspezifischer DES eröffnet einen großen Gestaltungsspielraum, einschließlich der Auswahl einzelner Komponenten und der Einstellung des Wassergehalts (entscheidend für die katalytische Leistung von Enzymen und die Verringerung der Viskosität). Das ermöglicht die Entwicklung von Lösungsmitteln, die in der Lage sind, hohe Konzentrationen von Substraten und Produkten zu lösen, Enzyme zu stabilisieren/aktivieren und gleichzeitig eine auf spezifische Anwendungen zugeschnittene Weiterverarbeitung zu ermöglichen. DES können somit einen entscheidenden Beitrag zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Biokatalyse als nachhaltige Technologie leisten.
Die Haupthypothese der DFG-Forschungsgruppe 5730 „Maßgeschneiderte tief-eutektische Lösungsmittel für die Biokatalyse – ein ganzheitlicher Ansatz von molekularen Wechselwirkungen bis zu Prozessparametern (DESMOL2PRO)“ ist, dass DES zwei kritische Aspekte von Bioprozessen grundlegend beeinflussen wird, nämlich die Reaktivität und Stabilität von Biokatalysatoren und das Downstream-Processing. Die Entwicklung und Intensivierung von Bioprozessen erfordern daher einen anderen Ansatz als klassische Prozesse mit wässrigen, organischen und mehrphasigen Systemen und vor allem eine nahtlose Integration verschiedener Disziplinen. Das DESMOL2PRO-Projekt geht explizit auf diese beiden Aspekte ein, indem es einen ganzheitlichen zirkulären Ansatz verfolgt, um effiziente und nachhaltige Prozesse zu verstehen und zu entwickeln. Die zirkuläre Strategie wird dazu führen, ein tiefes Verständnis für die Entwicklung von Molekülen zu Prozessen und umgekehrt zu erlangen.
Forschungsfrage erfordert ein vielfältiges Team aus verschiedenen Bereichen
Alle Entscheidungen für den Einsatz anwendungsspezifischer DES in der Biokatalyse müssen in ein integriertes Prozessdesign eingebunden werden, das die theoretischen, synthetischen und ingenieurwissenschaftlichen Forschungsbereiche umfasst. Ermöglicht wird dies durch eine Kombination von Untersuchungsmethoden in den Bereichen rechnerische Grundlagen zum Verhalten von DES und Wechselwirkungen mit dem Protein (Computational Unit), die Untersuchung der enzymatischen Katalyse in maßgeschneiderten DES (Biocatalysis Unit) und die Entwicklung der Prozesssteuerung, einschließlich Downstream Processing (Engineering Unit). Da der gewählte Forschungsansatz eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Experten aus den Bereichen Modellierung, Katalyse, technische Chemie und Verfahrenstechnik erfordert, wurde für dieses Forschungsprojekt ein vielfältiges Team von Forschenden an verschiedenen Standorten – deren Kompetenzen sich ausgezeichnet ergänzen.
Der Forschungszusammenschluss DESMOL2PRO umfasst sieben akademische Einrichtungen:
- Leibniz Universität Hannover (DE): Prof. Dr. Selin Kara (Sprecherin), Dr. Ningning Zhang und Dr. Dörte Solle
- Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (DE): Prof. Dr. Jan von Langermann (Co-Sprecher)
- Universität Stuttgart (DE): Prof. Dr. Jürgen Pleiss und Prof. Dr. Niels Hansen
- Technische Universität Hamburg (DE): Prof. Dr. Andreas Liese und Dr. Daniel Ohde
- Karlsruher Institut für Technologie (DE): Prof. Dr. Dirk Holtmann
- Technische Universität Graz (AT): Prof. Dr. Robert Kourist, Assoc. Prof. Dr. Heidrun Gruber-Wölfler und Dr. Daniel Kracher
- Universität Zagreb (HR): Assoc. Prof. Marina Cvjetko Bubalo (Mercator-Stipendiatin)
Sprecherin: Prof. Dr.-Ing. Selin Kara, Institut für Technische Chemie, Arbeitsgruppe Biokatalyse und Bioreaktionstechnik